„Eltern haften für ihre Kinder“ – oder doch nicht?

An vielen vermeintlich gefährlichen Orten wie Baustellen oder auch an Privatgrundstücken findet man ein gelbes Schild mit dem Aufdruck „Eltern haften für ihre Kinder.“ Das erweckt den Eindruck, dass Eltern juristisch für alle Schäden, die ihre Kinder verursachen, zur Kasse gebeten werden dürfen. Ob das rechtlich tatsächlich in dieser Pauschalität zutrifft, möchten wir Ihnen in diesem Beitrag erläutern.

Muss ich als Elternteil für den Schaden haften, den mein Kind verursacht hat? 

Eltern haften für ihre Kinder?

Als Elternteil unterliegt man der sogenannten Aufsichtspflicht für seine Kinder. Das bedeutet, dass man aufpassen muss, dass die eigenen Kinder sich selbst und Dritten keinen Schaden zufügen. Das gilt unabhängig vom Alter der Kinder. Die Aufsichtspflicht endet erst dann, wenn das Kind sein 18. Lebensjahr vollendet hat.

Verletzen die Eltern ihre Aufsichtspflicht und verursacht das Kind deshalb einen Schaden, können die Eltern

dafür zur Haftung herangezogen werden. Häufig ist dies sogar – auch wenn das Kind nach oben genannten Voraussetzungen selbst haftet – der Regelfall, da das Kind in der Regel noch nicht über eigenes nennenswertes Vermögen verfügt. Haben die Eltern hingegen ihre Aufsichtspflicht ausreichend erfüllt und verursacht das Kind trotzdem einen Schaden, können die Eltern nicht für diesen Schaden haftbar gemacht werden.

Was ist der Maßstab für die Aufsichtspflicht der Eltern?

Ob die Eltern ihre Aufsichtspflicht verletzt haben, wird stets anhand der Umstände des Einzelfalls bestimmt. Entscheidend sind unter anderem die konkrete Familiensituation, aber auch die konkreten Situationen, in denen der Schaden durch das Kind verursacht wurde. Jedenfalls müssen die Eltern jedoch ihr Kind nicht „Rund-um-die-Uhr“ im Auge behalten.

Wie oft die Eltern konkret nach ihrem Kind sehen müssen, hängt davon ab, wie alt das Kind ist, wie sein Charakter beschaffen ist und wie gut die Eltern ihr Kind über die Folgen einer Schädigung Dritter aufgeklärt haben. Es kommt also darauf an, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um eine Schädigung Dritter durch ihr Kind zu verhindern. Je jünger und unvernünftiger das Kind ist, desto stärker und engmaschiger müssen die Eltern ihr Kind beaufsichtigen. Die Aufsichtspflicht erhöht sich auch dann, wenn das Kind in dieser Hinsicht bereits in der Vergangenheit auffällig geworden ist.

Dabei gelten in der Rechtsprechung grundsätzlich folgende Orientierungssätze: In der Wohnung müssen Eltern selbst Kleinkinder nicht ständig beobachten. Es genügt, wenn die Eltern in Hörweite sind. Ab einem Alter von vier Jahren dürfen Kinder ohne ständige Überwachung auch im Freien spielen. Ein gelegentlicher Kontrollblick der Eltern (etwa alle 15 bis 30 Minuten) ist ausreichend, damit sie bei Bedarf eingreifen können. Ab einem Alter von sieben bis acht Jahren ist keine regelmäßige Kontrolle in so kurzen Abständen erforderlich. Vielmehr dürfen die Kinder dann im Freien auch ohne Aufsicht spielen. Es genügt, wenn die Eltern sich über das Spielen der Kinder in groben Zügen einen Überblick verschaffen. Auch wenn es in der Rechtsprechung diese Orientierungssätze gibt, ist vorrangig stets das individuelle Kind und die konkrete Familiensituation entscheidend für eine Beurteilung des Maßstabs der Aufsichtspflicht der Eltern.

Muss mein Kind auch selbst schon für einen von ihm verursachten Schaden haften?

Ob ein Kind selbst schon für einen von ihm verursachten Schaden haften muss, richtet sich danach, ob es schon deliktsfähig ist.

Bis zu ihrem 7. Geburtstag können Kinder für Schäden deliktsrechtlich nicht haftbar gemacht werden, da rechtlich unwiderlegbar vermutet wird, dass es noch nicht die erforderliche Einsicht in die Tragweite seiner Handlungen besitzt. Kinder bis einschließlich sechs Jahre sind also noch nicht deliktsfähig.

Ab dem 7. Geburtstag ist das Kind eingeschränkt deliktsfähig. Es kommt darauf an, ob das Kind schon erkennen konnte, dass sein Verhalten eine Schadensersatzpflicht zur Folge haben wird. Es wird dabei auf die sogenannte individuelle Einsichtsfähigkeit des konkreten Kindes abgestellt. Dabei gilt grundsätzlich, dass ein mit dem zunehmenden Alter auch die Einsichtsfähigkeit des Kindes steigt. So können 17-jährige Jugendliche die Gefahren ihres Handelns schon deutlich besser erkennen als 7-jährige Kinder. Doch auch bei jüngeren Kindern kann die Einsichtsfähigkeit zu bejahen sein. Der Bundesgerichtshof hat beispielsweise entschieden, dass Kinder mit sieben Jahren schon erkennen können, dass man Autos nicht mit einem Schlüssel zerkratzen darf. Es ist jedoch stets auf die Umstände des Einzelfalls und das individuelle Kind abzustellen. Eine Sonderregel besteht noch für den fließenden Straßenverkehr: dort ist bis zum 10. Geburtstag ist eine Haftung des Kindes ausgeschlossen, soweit es den Schaden nicht vorsätzlich verursacht. Das hängt damit zusammen, dass Kinder ihr Verhalten im Straßenverkehr häufig noch nicht ausreichend überblicken können und dadurch überfordert sind.

Ab dem 18. Geburtstag ist das Kind voll deliktsfähig und muss für die von ihm verursachten Schäden ohne Einschränkung haften.

Fazit

Die Floskel „Eltern haften für ihre Kinder“ trifft in ihrer Pauschalität nicht zu. Ob ein Kind selbst schon für einen von ihm verursachten Schaden haften muss, hängt vor allem von seinem Alter und seiner individuellen Einsichtsfähigkeit ab. Die Eltern haften hingegen nur dann, wenn sie ihre Aufsichtspflicht verletzt haben. Der Maßstab der Aufsichtspflicht bestimmt sich durch das individuelle Kind und die konkrete Familiensituation.

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